Montmartre – ein Name, der weltweit Sehnsucht weckt. Künstler, Touristen, Pariser – sie alle strömen seit Jahrzehnten zu diesem magischen Ort, auf dessen Höhe die Basilika Sacré-Cœur thront. Doch der Hügel, der lange Zeit ein Symbol für romantische Verklärung war, wird nun selbst zum Schauplatz eines ehrgeizigen urbanen Experiments. Die Stadt Paris hat ein groß angelegtes Projekt zur Umgestaltung des Butte Montmartre begonnen – mit dem Ziel, einen beruhigten, nachhaltigen Raum zu schaffen, der weitgehend vom Autoverkehr befreit ist.
Seit dem 18. November 2024 laufen die Arbeiten, die das Bild des Viertels tiefgreifend verändern werden. Wo heute noch Asphaltstraßen den Blick auf historische Fassaden zerschneiden und Touristenbussen der Vortritt eingeräumt wird, soll bis Ende August 2025 ein Ort entstehen, an dem Fußgänger und Radfahrer Priorität genießen – ein Viertel, das atmen kann.
Stadtentwicklung mit Weitblick: Montmartre als Vorbild für das Paris der Zukunft
Die Umgestaltung des Butte Montmartre steht sinnbildlich für eine neue urbanistische Vision: eine Stadt, die sich vom Auto emanzipiert und ihre öffentliche Räume zurückerobert. Es geht um viel mehr als nur neue Pflastersteine oder ein paar zusätzliche Bäume. Es geht um Lebensqualität, Aufenthaltsqualität – und um eine neue Definition von Mobilität.
Der gesamte Bereich um die Sacré-Cœur-Basilika wird zur Fußgängerzone umgewandelt. Das bedeutet konkret: der motorisierte Durchgangsverkehr wird verbannt, zahlreiche Parkplätze verschwinden, die Straßen werden begrünt und die Gehwege deutlich verbreitert. Statt Lärm und Abgasen sollen künftig das Zwitschern der Vögel, das Lachen spielender Kinder und das Klirren von Kaffeetassen auf Terrassen den Klangteppich bilden.
Eine Umgebung für Menschen, nicht für Maschinen
Im Fokus steht die Rückgewinnung des öffentlichen Raums. Die neue Gestaltung sieht Begegnungszonen vor, in denen sich Fußgänger, Radfahrer und Anwohner auf Augenhöhe begegnen – ganz ohne Zebrastreifen oder Ampeln. Diese sogenannte „Zone de rencontre“ wird durch Pflasterung, Möblierung und Begrünung strukturiert, sodass die Bewegung auf natürliche Weise gelenkt wird. Fahrzeuge, sofern überhaupt noch zugelassen, dürfen maximal 6 km/h fahren.
Besonders das Plateau vor der Sacré-Cœur wird eine Metamorphose erleben: Dort, wo bislang Busse hielten und Touristenströme aneinander vorbeidrängten, entsteht ein großzügiger Platz mit Sitzgelegenheiten, Schatten spendenden Bäumen und einem spektakulären Panoramablick auf Paris. Die Aussicht bleibt – aber der Zugang zu ihr wird entspannter, naturnäher und inklusiver.
Mobilität neu gedacht: Weniger Asphalt, mehr Lebensqualität
Ein weiterer zentraler Aspekt des Projekts ist die Förderung sanfter Mobilität. Die bestehenden Radwege werden ausgebaut, neue Routen für Fahrräder und E-Scooter eingerichtet. Zudem entstehen mehrere Fahrradstationen mit sicheren Abstellmöglichkeiten – ein Novum für Montmartre, wo es bislang an Radinfrastruktur mangelte.
Die Maßnahme ist auch eine Antwort auf die wachsende Zahl von Parisern, die auf das Fahrrad umsteigen. Montmartre war bisher ein weißer Fleck auf der Radkarte – zu steil, zu eng, zu unsicher. Mit cleverer Streckenführung und neuen Verbindungen soll das Viertel nun auch für Radfahrer attraktiv werden. Gleichzeitig entstehen neue Wege, um Menschen mit eingeschränkter Mobilität einen barrierefreien Zugang zu ermöglichen – sei es durch Aufzüge, flache Übergänge oder klare Wegeleitungen.
Begrünung und Klimaresilienz im Fokus
Die Neugestaltung zielt auch auf eine ökologische Aufwertung des Viertels. Neben der Verkehrsberuhigung werden zahlreiche Grünflächen neu angelegt, Bäume gepflanzt und begrünte Inseln zwischen den historischen Gassen integriert. Die neue Vegetation wirkt nicht nur als Schattenspender, sondern verbessert auch das Mikroklima. In heißen Sommermonaten können die Temperaturen im Viertel so spürbar gesenkt werden – ein entscheidender Faktor im Kampf gegen urbane Hitzeinseln.
Wassergebundene Wegedecken, versickerungsfähige Pflaster und neue Entwässerungskonzepte sollen außerdem dafür sorgen, dass Starkregenereignisse besser bewältigt werden können. Damit wird Montmartre nicht nur schöner, sondern auch widerstandsfähiger gegen den Klimawandel.
Vom touristischen Hotspot zum lebendigen Quartier
Nicht zuletzt verfolgt das Projekt ein kulturelles und soziales Ziel: den Butte Montmartre als lebendiges Stadtviertel zu stärken. Die Veränderungen sollen den Bewohnerinnen und Bewohnern zugutekommen – ohne die touristische Anziehungskraft zu verlieren. Die lokale Wirtschaft, insbesondere Cafés, kleine Läden und Galerien, profitiert von der neuen Aufenthaltsqualität. Straßenkünstler, Musiker und Flaneure finden neuen Raum, sich zu entfalten.
Der Umbau ist ein klares Bekenntnis zu einer Stadt der kurzen Wege, der Ruhe und des Miteinanders. Montmartre bleibt Montmartre – aber es wird ein Montmartre der Zukunft sein. Eines, das den Geist der Belle Époque mit den Bedürfnissen des 21. Jahrhunderts in Einklang bringt.
Ausblick: Ein Pilotprojekt mit Strahlkraft
Die Transformation des Butte Montmartre könnte zum Vorbild für andere Viertel werden. Paris zeigt, dass selbst historisch gewachsene Stadtteile nicht in Stein gemeißelt sind. Sie können sich wandeln, ohne ihre Identität zu verlieren. Die Stadt wird lebendig – durch ihre Menschen, ihre Ideen und den Mut, neue Wege zu gehen.
Wenn alles nach Plan verläuft, wird die Umgestaltung bis zum Sommer 2025 abgeschlossen sein. Dann könnten sich Besucher zum ersten Mal auf einem grünen, ruhigen Weg der Sacré-Cœur nähern – vielleicht sogar barfuß auf warmem Stein, umgeben vom Duft frischer Kräuter, dem Klang eines Akkordeons und dem Gefühl, dass hier gerade ein neues Kapitel Pariser Stadtgeschichte geschrieben wird.